Witz des Tages: „Dehnen darf nicht zu Schmerzen führen.“

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(Warnung: Der folgende Blogbeitrag ist meines Erachtens etwas provokativ geschrieben. Und obwohl ich der Überzeugung bin, dass Gewalt keine Lösung ist, schreibe ich diesen Blogbeitrag nun so, in der Hoffnung, dass sich mehr Menschen über diese meines Erachtens unsinnige Trainingsmethode (Stretching) Gedanken machen. Also: Lassen Sie sich nicht provozieren, die Erde wird sich auch morgen weiterdrehen 😉 )

Immer wieder höre oder lese ich Menschen sagen, dass Dehnen nicht zu Schmerzen führen darf. Es freut mich ja zu hören, dass diese Personen an Ihrem Gewebe ziehen ohne sich dabei Schmerzen zuzufügen, das ist mit Sicherheit etwas sinnvoller als so stark zu ziehen dass es schmerzt, nur frage ich mich was genau diese Personen dann eigentlich versuchen?

Was ist Ihr Ziel?

Welches Gewebe möchten Sie einfach so auseinanderziehen? Nennen Sie mir bitte die exakte Struktur und nicht einfach ‚den Muskel‘. Welchen strukturellen Muskelbestanteil denn? Ich habe keinen gefunden für welchen es Sinn machen würde. Titin? Aktin? Myosin? Epimysium? Perimysium? Endomysium? Woran ziehen Sie?

Wie soll denn das eigentlich gehen einen Muskel auseinander zu ziehen? Der kann sich ja sowieso immer wieder zusammen ziehen, bzw. dafür ist er ja da! Und nein, einen Kontraktionsrückstand gibt es nicht (1), die Ruhespannung verringern Sie langfristig ebenfalls nicht (2) und dehnbarer wird das Gewebe auch nicht (3):

  1. „Der Begriff des ‚Kontraktionswiderstandes‘ wurde aus der Literatur übernommen, wobei oft vergessen wird, dass die Autoren ihre Befunde wiederrufen haben. Es gibt keinen Kontraktionsrückstand“ (Freiwald, 2009, S. 240).

  2. „Somit ist durch regelmäßiges Dehnen von vornherein keine dauerhafte Reduzierung der Ruhespannung des Muskels zu erwarten“ (Klee & Wiemann, 2012, S.53).

  3. „• Dehnungen führen aufgrund der hohen Spannungen zu typischen biologischen Anpassungen – das Bindegewebe wird dicker und daher erhöht sich der Dehnungswiderstand durch längerfristige Dehnungen“ (Freiwald, 2009, S.84).

Denken Sie die Ursache einer mangelnden Beweglichkeit, also der Unfähigkeit optimale Bewegungsmuster in Sport und Alltag ausführen zu können liegt darin, dass Sie zu wenig Dehnen? Könnte es nicht einfach sein dass Sie häufiger diese Bewegungsmuster trainieren sollten, dann werden sie vielleicht irgendwann optimal.

Beweglichkeit durch Bewegung denn Form folgt FunktionIch habe mal gelernt dass es am sinnvollsten ist wenn man das Problem mit der Ursache bekämpft und finde deshalb, dass man dies auch im Beweglichkeitstraining so machen sollte. Deshalb besteht mein Beweglichkeitstraining aus Bewegung und nicht aus Dehnen. Und bitte sagen Sie mir nun nicht dass ‚Dehnen‘ Bewegung sein soll.

Nun ja, in diesem Artikel gehe ich nicht auf die Menschen ein, die von ‚Dehnen oder Stretching‘ sprechen und darunter anscheinend eine Trainingsmethode kennen die nicht zu Schmerzen führt. Das sind sozusagen die Harmlosen, nicht besonders clever, aber harmlos.

Leider gibt es dann aber auch diejenigen die alles andere als harmlos sind und ganz deutlich ausdrücken, dass es beim Dehnen zu Schmerzen kommt oder kommen sollte. Und gegen diese Überzeugungen wehre ich mich vehement und drücke das in meinem Text ‚Beweglichkeit‘ auch aus.

Sollte Ihnen also jemals ein Mensch über den Weg laufen der von Ihnen verlangt, dass Sie sich selber Schmerzen zufügen sollten, dann bitte machen Sie einen grossen Bogen um diese Person, oder noch besser, lesen Sie meinen Text ‚Beweglichkeit‘, dann können Sie jener Person vielleicht sogar erklären, weshalb sie sich in Zukunft keine Schmerzen mehr zufügen muss. Die frohe Botschaft sozusagen.

Jetzt aber einige Beispiele dieser Schmerzsuchenden, wobei die Liste keine Vollständigkeitsansprüche erhebt und wahrscheinlich unendlich verlängert werden könnte.

In diesem Sinne:

!!! Angenehmer Dehnschmerz !!!

(so eine bescheuerte Wortkombiniation)

  1. „Schonung ergibt keine Wirkung! Eine Dehnung ist nur dann sinnvoll, wenn ein Reiz auf das Nervensystem und die bindegewebigen Strukturen ausgeübt wird. Das Empfinden eines intensiven Dehnungsgefühls bis hin zu einem angenehmen Dehnungsschmerz ist wichtig, um eine Wirkung zu provozieren. Sportler mit einer antrainierten Beweglichkeit haben ihr Nervensystem an diesen Dehnungsreiz gewöhnt und empfinden Dehnungen als angenehm. Denjenigen, welche selten dehnen, ist ein Dehnungsschmerz oft zu intensiv und unangenehm, weil ihr Nervensystem viel empfindlicher auf den Dehnungsreiz reagiert“ (Albrecht et al., 2001, Stretching – Das Expertenhandbuch, S.59).
  2. Ist es schmerzhaft? Ja, aber ich finde es lohnt sich“ (Zugriff am 22.03.2014 unter StrongandFlexTv bei 0.33“)
  3. „Meine Freundin hat mit Ballett angefangen und ist mit Begeisterung dabei. Mich stört, dass sie berichtet, dass ihr Trainer meint, dass ein Dehnschmerz ein gesunder Schmerz ist. Am Anfang des Trainings dehnen sich die Frauen und sollen die Dehnung rund eine Minute halten. Der Schmerz soll weggeatmet werden und sei völlig gesund. Stimmt das so?“ (Zugriff am 22.03. 2014 unter gesundheitsfrag.net)
  4. „The inverse stretch reflex is the last line of defense against injuries. It takes over where the stretch reflex leaves off. As the muscle is fighting an overwhelming force it gets very tense. The tension sensors-the III and IV afferent free nerve endings and the Golgi tendon organs-send a ‘Relax!’ command to their muscle, to prevent it from ripping its tendons off their attachments. Now, stop mumbling, „Is it safe, is it safe?“ You sound like the Nazi dentist from The Marathon Man. The good news is that the shutdown threshold is set up very conservatively. Much more force is needed for the tissue to rupture than it takes to make your biceps give out; a tendon is usually two to three times stronger than its muscle! Although it feels weird and scary-your overpowered muscles start shaking and finally give out against overwhelming resistance-the inverse stretch reflex overrides the stretch reflex and promotes a very deep relaxation of the tortured muscle. What you get is a mega-stretching tool-for those with the heart to handle it” (Tsatsouline, 2001, Relax into stretch, S.37-38).
  5. Dehnungen können in endgradigen Dehnstellungen zu einem Gefühl führen, dass in der Literatur meist als ‚Dehnspannung‘ beschrieben wird. Wenn man jedoch die Sportler bzw. Patienten näher befragt, beschreiben Sie eher einen Dehnungsschmerz. Endgradige Dehnungen der Muskulatur und anderer Gewebe führen zu hohen mechanischen Spannungen; sie können sogar über die mechanischen Spannungen hinausgehen, die bei maximalen isometrischen Kontraktionen auf die serienelastischen Elemente wirken (vgl. Abb. (…)). Unter Berücksichtigung dieser Tatsache macht es Sinn, in Verbindung mit Dehnung von Schmerzen zu sprechen, da die Gewebe einerseits durch hohe mechanische Spannung zur Anpassung gezwungen werden sollen, andererseits durch diese hohen mechanischen Spannungen auch in Gefahr sind, was typischerweise das Schmerzsystem aktiviert“ (Freiwald, 2009, Optimales Dehnen, S.115-116).
  6. „Jetzt können wir wirklich schon bis in die Schmerzgrenze hinein dehnen (Zeit 2.45) Versucht auch den Dehnschmerz leicht mit der Atmung zu regulieren (Zeit 2:54) Zieht dann langsam euer Bein bis in die Schmerzgrenze hinein und versucht auch hier wieder zu halten (Zeit 4:30) Und zieht ganz tief, jetzt muss es, ja, schon fast nicht mehr auszuhalten sein, natürlich nicht übermässig in die Dehnung hinein sondern so dass wir wirklich sagen, ok jetzt ist die Schmerzgrenze und hier halten wir es gerade noch so aus. (Zeit 9.40) Und wir versuchen noch vielleicht etwas nach zu dehnen, etwas tiefer in die Dehnung zu kommen, die Schmerzgrenze gerade so zu erreichen, das heisst den Schmerz wirklich, ja, individuell so zu steuern, dass ihr ihn gerade noch aushalten könnt (Zeit 13.13)“ (Zugriff am 22.04.2014 unter Youtube Dr.D.Gärtner).
  7. „‘Es muss schon richtig weh tun, wenn die Dehnung überhaupt etwas bringen soll,‘ höre ich immer wieder“ (Zugriff am 22.04.2014 unter BudokanBlog).
  8. „Unterstützend pressen wir mit der rechten Hand nach. Es ist ganz wichtig, dass Sie den Atem nicht anhalten, sondern immer weiter tief ein- und ausatmen. Die Atmung hilft, den „Dehnschmerz“ auszuhalten. Wenn diese einfache Übung korrekt ausgeführt wird, erreicht man eine mittelstarke Dehnung. Diese ist die perfekte Einsteigerübung und zum „Warm-Dehnen“ geeignet“ (Zugriff am 22.04.2014 unter trainingsworld.com).
  9. „Tja, ist nunmal so! Habe mein Knie 2 Monate nur max. 90° anwinkeln dürfen. Wenn mein Physiotherapeut in der Reha jetzt das Knie etwas weiter runterdrückt, kommen mir auch manchmal (fast) die Tränen. Das ist alles Übungssache, sprich: das wird schon!“ (Zugriff am 22.03.2014 unter Cheerforum.de)
  10. „Legen Sie sich mit dem Oberkörper zurück und ziehen Sie mit den Handtuchenden das gestreckte Bein so weit nach oben, bis Sie auf der hinteren Oberschenkelseite und auch in den Waden einen Dehnschmerz spüren. Halten Sie diese Dehnposition ca. 20 bis 30 Sekunden“ (Zugriff am 22.03.2014 unter experto.de).
  11. „Das Dehnen sollte an der Schmerzgrenze aber niemals darüber hinaus stattfinden. Ohne Spannungsgefühl kann auch kein Dehnungseffekt stattfinden“ (Zugriff am 22.03.2014 unter netzathleten.de).
  12. „Die Übungen sind langsam und mit Konzentration bis zum „Dehnschmerz auszuführen. Man sollte die Dehnung 5 – 7 sec halten, dann locker hinstellen und die Beine lockern/ausschütteln. Dann das Ganze mehrere Male wiederholen. (Zugriff am 22.03.2014 unter trainingsworld.com)
  13. „Im Allgemeinen gilt, dass das Ziel der strukturellen Verlängerung am effektivsten erreicht wird, indem der Sportler dynamisch von der Spannungsschwelle aus Bewegungen weiter Richtung Endposition ausführt. Dabei sollte er kurz in die Schmerzzone vordringen, um daraufhin sofort wieder zur Spannungsschwelle zurückzubewegen. Die Bewegungen sollten langsam ausgeführt werden und es sollten im Sportbereich eins bis zwei Serien mit 15 – 25 Schmerz – Intensitätswellen angewendet werden.“  (Zugriff am 22.03.2014 unter boetsch-physio.de)
  14. Das auftretende Dehngefühl während der Übungen darf dabei die Schmerzgrenze mit einem angenehm ziehenden Dehnschmerz erreichen. Nur so sind fördernde Resultate möglich. Stechende Schmerzen, von unangenehm bis schmerzend sowie zerrend, hemmen die angestrebten Ergebnisse und können sogar Sportverletzungen wie Muskelzerrungen hervorrufen. Während des Anspannungs- und Entspannungsdehnen ist nach der einzunehmenden Dehnposition der Muskel maximal isometrisch zwischen 10 bis 30 Sekunden anzuspannen. Anschließend ist die Spannung zu lösen. Folgend sollte sofort die jeweilige Dehnstellung bis zum Erreichen eines leichten Dehnschmerz erweitert werden. Dabei sollte die Dehnposition in etwa 10 – 30 Sekunden solange gehalten werden, bis die individuelle Zugspannung nachlässt. Zugriff am 22.03.2014 unter gesundpedia.de)
  15. „Once the muscle has relaxed, increase the stretch. Your muscles will tighten up again. One more time, wait the tension out. Breathe deep, easy, and slow. Repeat until you are close to getting spasms. If you paid attention, you have understood that what has been described is not the literal stretching of a relaxed muscle puttygen , but rather a patient waiting for the muscle to relax and picking up the slack. Your reflexes, like everything else in your body, get tired” (Tsatsouline, 2001, Relax into stretch, S.21-22).
  16. Viel Spaß und einen guten Dehnschmerz! (Zugriff am 22.03.2014 unter trainingsworld.com)

Und so sehen dann in der Praxis die Extrembeispiele dieser unsinnigen Überzeugung aus:

Video 1 Video 2 Video 3 Video 4

Immerhin führen diese Personen diese unsinnige Trainingsmethode selbstbestimmt aus.

stop stretching but start moving Kopie

Die wahren Leidtragenden dieser dummen Trainingsmethode sind hingegen Kinder, die nichts dafür können, dass ihre Trainer so DUMM sind, den dumm ist der, der Dummes tut.

Video 1 Video 2 Video 3

Fügen Sie sich doch selbst Schmerzen zu, aber lassen Sie diese Kinder in Ruhe! Oder noch besser, lesen Sie meine anderen Blogbeiträge oder betrachten Sie meinen Youtube-Film, dann erkennen Sie vielleicht, weshalb es zumindest im Gesundheitssport nicht nötig ist sich selbst Schmerzen zuzufügen. Ob auch ein Seitspagat mit meiner Methode möglich ist, das hoffe ich für jene Personen, die diese unnatürliche Körperstellung erreichen möchten, ich kann es aber nicht garantieren.

Und nun hoffe ich, dass ich Sie nicht allzu stark provoziert habe und würde mich freuen, wenn Sie mir Ihre Meinung zu diesem Thema, unten in der Kommentarfunktion anfügen, denn im gegenseitigen Austausch lernt man bestimmt am meisten.

Happy Journey,

Tom

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2 Gedanken zu „Witz des Tages: „Dehnen darf nicht zu Schmerzen führen.“

  1. Ich finde den Beitrag interessant, wenn er auch relativ zusammengeworfen wirkt. Ihr Standpunkt ist für mich jetzt nicht komplett klar geworden. Aber ich vermute sie finden die Mitte zwischen Ihren beiden beschriebenen Extremen.
    Meine Meinung dazu versuche ich mal, halbwegs intellektuell rüberzubringen.

    Dehnen. Das Wort an sich klingt schon nicht angenehm. Und Tänzer, Turner und viele andere Sportarten die vom Dehnen regelrecht leben. Wenn man sich das erste Mal dehnt, egal wie man es dreht und wendet, es wird schmerzen! Ich will niemandem Angst einjagen, aber es wird definitiv schmerzen!
    Und die nächsten paar Male genau so!
    Dehnen schmerzt, zieht, spannt oder sticht sogar. Dabei muss nicht unbedingt eine Krankheit dahinterstecken!
    Ich will damit sagen, dass Dehnen weder schmerzlos noch der totale Horror ist.

    Ich habe schon relativ früh mit dem Tanzen und somit auch mit dem Dehnen angefangen.
    Und schon damals habe ich die Regel gelernt die viele Neueinsteiger als auch „Experten“ nicht zu wissen scheinen.

    Wenn man eine Dehnübung ausführt und keinen Schmerz fühlt macht man sie entweder falsch oder man muss noch tiefer in sie hinein gehen.
    Beispiel:
    Ihr dehnt ganz normal eins eurer Beine im Sitzen. Ihr bewegt euren Oberkörper näher zum Bein hin und es schmerzt kein bisschen. Dann sollte man die Haltung prüfen. Wenn diese richtig ist sollte man versuchen mit dem Kopf das Knie zu berühren. Man bewegt sich auf das Bein zu bis man einen leichten Schmerz verspürt und hält diese Position bis der Schmerz abklingt. Dann kann man immer weiter gehen.

    Das ist der generelle Sinn vom Dehnen. Etwas anzustreben was man doch nicht richtig macht ist unnötiges Tun.

    Man baut doch auch keinen Miniaturtisch, weil die Lust einen Esstisch in normalgröße zu bauen zu anstrengend ist. Wozu es dann überhaupt machen?

    Ich hoffe es war amüsant diesen Kommentar(?) zu lesen. Ich entschuldige meine Sprachwahl falls sie jemanden stören sollte, mit 15 Jahren hat man noch nicht den Standart den man für solche Dokumente benötigt.

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