Kommt Ihnen etwas komisch vor, wenn Sie das folgende Bild betrachten?
Und wie sieht es im folgenden Bild aus?
Ich könnte mir vorstellen, dass das erste Bild zwar etwas exotisch auf Sie gewirkt hat, aber es soweit in sich stimmig war. Ich meine damit, dass es eben eine normale Szene an einem indischen Ghat darstellt und so sieht das da nun einmal aus. Obwohl das zweite Bild wohl eher einer Ihnen vertrauten Situation entspricht, könnte ich mir vorstellen, dass Ihnen ein Element unvertraut, ja sogar seltsam erschienen ist, nämlich diese Person welche in der tiefen Hocke (Deep Squat) auf den Zug wartet. Falls Sie auch dieses etwas befremdende Gefühl empfunden haben, dann sind Sie nicht alleine, denn auch für mich war es eine merkwürdige Situation mich so am Bahnhof zu platzieren. Da ich aber von den gesundheitsförderlichen Auswirkungen dieser Position überzeugt bin und ich hoffe, dass es auch in unserer Kultur in naher Zukunft nicht mehr merkwürdig sein wird so zu verweilen, habe ich dieses Gefühl in Kauf genommen.
In diesem Artikel möchte ich Ihnen erklären, weshalb diese Position für mich zur wichtigsten körperlichen Übung geworden ist und ich hoffe, dass auch Sie einen Nutzen daraus ziehen können.
Nach Gray Cook ist die tiefe Hocke ein zentraler Biomarker für einen gut funktionierenden Körper …
“The deep squat seems to be a biomarker for a well-functioning body, but it is not the only biomarker and you shouldn’t consider it in isolation“ (Cook, Movement, 2010, S.212).
…und der Squat ist deshalb auch ein wichtiger Bestanteil des Functional Movement Screens, einer Testreihe aus 7 Bewegungsmustern zur Überprüfung einer artgerechten Beweglichkeit. Es ist in unserer Gesellschaft leider nicht mehr selbstverständlich, dass wir dieses Bewegungsmuster ausführen können und ich empfehle Ihnen gleich selbst der Testanweisung durch Gray Cook im folgenden Video zu folgen (gleich der erste Test im Film):
Hat es funktioniert?
Bei mir war das vor ca. zwei Jahren, als ich diesen Test kennengelernt habe nicht der Fall. Ich konnte nicht in die tiefe Hocke gehen, ohne mit dem Stab den Türrahmen zu berühren. Und es war für mich ein Schlüssel-Erlebnis zu erkennen, dass ich meine artgerechte Beweglichkeit verloren hatte. Die Ursachen dafür sind meines Erachtens schnell gefunden, denn weshalb sollte ich in der Lage sein eine tiefe Hocke einzunehmen, wenn ich dieses Bewegungsmuster nie trainiere? In unserem Alltag wurde dieses Bewegungsmuster durch Stühle und Sitztoiletten praktisch komplett überflüssig gemacht, nur bedeutet dies nicht zwingend, dass diese Entwicklung auch gesund ist. Meines Erachtens hat eine eingeschränkte Hüftbeweglichkeit weitreichende Auswirkungen auf meine Bewegungsmuster, wie das folgende Zitat andeutet:
“In other words, if the hips can’t move, the lumbar spine will. The problem is the hips are designed for mobility, and the lumbar spine for stability. When the intended mobile joint becomes immobile, the stable joint is forced to move as compensation, becoming less stable and subsequently painful” (Cook, Movement, 2010, S.372).
Im folgenden Video erklärt Ihnen Daniel Vitalis die zentrale Rolle der tiefen Hocke hervorragend:
Mir persönlich gefallen gesundheitswirksame Massnahmen, welche in den normalen Tagesablauf integriert werden können und so scheint mir der Zusatz mit dem Toilettenaufsatz sehr gewinnbringend zu sein, es geht allerdings auch ohne 😉
Hier noch ein Video eines Anbieters aus den USA:
Bestimmt etwas gewöhnungsbedürftig, aber äusserst effektiv. Sie trainieren dabei eine artgerechte Beweglichkeit und gleichzeitig erleichtern Sie sich die Darmentleerung (um es schön auszudrücken) wie unter anderem die Studie von Sikirov (2003) bescheinigt:
In conclusion, the present study confirmed that sensation of satisfactory bowel emptying in sitting defecation posture necessitates excessive expulsive effort compared to the squatting posture.
Sollten Sie jemanden kennen, der Probleme beim Stuhlgang hat, dann empfehlen Sie dieser Person doch mal diese Position, ich könnte mir vorstellen und hoffe, dass sie Ihnen dankbar sein wird.
Und falls Sie die tiefe Hocke vermehrt in Ihr Training integrieren möchten, dann kann ich Ihnen unteranderem die folgenden Übungen empfehlen:
Auch klassische Übungen wie z.B. ‚Snatch‘ finde ich hervorragend:
Auch wenn es in unserer Gesellschaft noch nicht wirklich verbreitet ist die tiefe Hocke öffentlich einzunehmen, und auch die infrastrukturellen Einrichtungen eher Deep-Squat feindlich sind (Stühle, Toiletten) gibt es doch Menschen wie im folgenden Bild, die aus der Reihe tanzen, …
…meines Erachtens eine wünschenswerte Entwicklung.
Back to the roots, zumindest teilweise 😉
Tom
Hey, toller Beitrag! Ich habe auch viel vom Hockgang als natürliche Sitzhaltung gehört. Und dieser scheint ja tatsächlich eine gute Alternative zu sein, anstatt im 90 Grad Winkel die Darmentleerung zu vollziehen. Inzwischen habe ich mir einen Toilettenhocker gekauft und der steht jetzt seit ein paar Monaten vor meinem Klo. Durch den Hoca sitze ich gleich im 35 Grad Winkel, der ja geeignet ist, für die gründliche und natürliche Darmentleerung. Der Hocker passt ideal an unsere modernen Sitztoiletten. Mit dem Praktizieren der Hocke kann ja effektiv das Entstehen von Darmkrankheiten verhindert werden.
Servus, danke für deinen Kommentar. Wo hast du den Hocker gekauft? Möchte mir vielleicht auch einen solchen anschaffen. Liebe Grüsse, Tom
Da ich ohnehin jeden Morgen die Duschkabine mit einem Gummiabzieher abziehe, habe ich vor einigen Jahren begonne mich selbst zu überlisten, indem ich die die Wände in schmalen Streifen von oben nach unten abziehe und dabei jedesmal in eine tiefe Kniebeuge gehe. (ergibt bei mir 20 – 22 Squats). Am Schluss verharre ich für das Abziehen der Bodenwanne ein wenig in einer Deep Squat. So habe ich eine wichtige tägliche Grundübung (wenn auch ohne Gewicht) ganz einfach in den normalen Tagesablauf integriert.
Super Idee! 😉
Guter Beitrag über eine vergessene Thematik. Wurde schon oft angesprochen warum ich bei Kniebeugen so tief gehe, bzw. warum ich überhaupt so weit runter komme. „Ist das nicht ungesund?“ Lachend musste ich dann erklären das es nur die natürlich flexibilität zulässt so tief zu „squaten“. Setze mich auch ähnlich auf den Bahnhof aber eher so späteren Stunden wo nicht mehr so viele Leute unterwegs sind. Es ist tatsächlich eine sehr entspannte Haltung und dehnt, kräftigt alle Gelenke die ich fürs Laufen brauche. Schöner Beitrag, über den stuhlgang hab ich mir noch keine Gedanken gemacht… nach diesem Beitrag wird das überdacht 😉
Hallo Olli, vielen Dank für dein Feedback, freut mich sehr dass dir der Artikel gefällt und schön dass du den Nutzen des Deep- Squat auch schon entdeckt hast. Ich denke nach wie vor, dass dies ein sehr zentrales Bewegungsmuster ist, welches wir möglichst bis ins hohe Alter erhalten sollten. Leider haben viele ‚Kulturgenossen‘ die Fähigkeit verloren dieses Bewegungsmuster in einer qualitativ ansprechenden Art und Weise auszuführen, aber vielleicht schaffen wir es ja sie von dessen Nutzen zu überzeugen 😉 Viel Spass dabei und freue mich von dir zu hören! Lg Tom