Das Grundlegende Ziel eines sinnvollen, gesundheitsorientierten Beweglichkeitstrainings (aktive Beweglichkeit) liegt darin optimale Bewegungsmuster in Alltag und Sport ausführen zu können. Nun gibt es aber immer mehr Menschen die das anscheinend nicht mehr können, optimale Bewegungsmuster in Alltag und Sport auszuführen. Wir müssen nun also versuchen die Ursache dieses Problems zu finden und anschliessend herausfinden, wie wir es am besten beheben können.
Die Ursache einer mangelnden Beweglichkeit ist meines Erachtens sehr offensichtlich: wir bewegen uns zu wenig in grossen Bewegungsamplituden (im Gesundheitsport), oder zu einseitig (im Spitzensport). Ich vermisse in der europäischen Gesellschaft vor allem die tiefe Hockposition, welche praktisch komplett fehlt (Link zum Blogpost dazu) und die wohl sinnvollste Gesundheitsmassnahme wäre meiner Ansicht nach alle Sitz-Toiletten durch Steh- bzw. Squat-Toiletten auszutauschen. Da dies aber mit 99%iger Sicherheit in den nächsten Jahren nicht passieren wird, sollten Squatübungen ein zentraler Bestandteil jedes Gesundheits- und wohl auch Leistungstraining sein.
So simpel diese Massnahme klingen mag, sie scheint den wenigsten Menschen in den Sinn zu kommen, denn wenn ich nachforsche wie ein sinnvolles Beweglichkeitstraining aussehen soll, dann stiess und stosse ich nach wie vor auf die Überzeugung dass ‚Stretching‘ das A und O sein soll. Langsam scheint hier aber ein Umdenken statt zu finden, das klingt dann so:
Historically, stretching has been considered one of those “does no wrong” activities, one that’s been largely overlooked by virtually everyone outside of a yoga studio. But over the last two decades or so, people have started to figure out that stretching isn’t quite the holy grail of healthy training” (Henselmans, 2014)
Langsam scheint es durchzusickern, dass Stretching viele der ihm zugeschriebenen Effekte nicht erbringt.
Was kann man nun also tun um seine Beweglichkeit zu verbessern wenn ZIEHEN nicht besonders sinnvoll ist?
Wie wärs mit BEWEGUNG? Wohl eher nicht,…
… tia dann ROLLEN wir eben!
Der letzte Schrei zurzeit in der Fitnesswelt sind die folgenden 4 Begriffe: Faszien – Blackroll – Triggerpunkte –Myofascial Release.
Man kommt nicht weit ohne mit diesen Begriffen bombardiert zu werden. Und während Blackroll immerhin noch klar definiert ist (eine ‚meist‘ schwarze Schaumstoffrolle) wird es bei den anderen Begriffen bereits schwer diese zu definieren, bzw. zu erklären worum es sich dabei handelt.
Faszien, Myofascial Release und Triggerpunkte sind meines Erachtens zurzeit das ‚Fitness‘-Pendant zur Quantentheorie in der Physik: keiner versteht sie aber jeder erklärt sich die Welt damit. Mit dem Unterschied, dass die Quantentheorie vermutlich deutlich mehr Hand und Fuss besitzt..
Einer der meist genannten Faszien-Forscher drückt die herrschende Stimmung meines Erachtens sehr treffend aus:
„Suddenly everywhere is looking at Fascia and they say well if you look at the cadaver, it’s everywhere, but we left it out in the textbook, so there is a sense of wild west discovery, and I like it. (Schleip, 2007, 5.00“)
Ich habe absolut nichts gegen Faszien- oder Triggerpunktforschung, nur steckt diese meines Erachtens noch in den Kinderschuhen und wenn ich die Auswirkungen dieser Forschung auf die Praxis sehe (vom Ziehen zum Rollen) habe ich so meine Bedenken.
Da es schon genügend Artikel gibt welche Blackrolls und Triggerpunkte meines Erachtens in den Himmel empor heben, möchte ich hier einen Gegenpol setzen und auf einige meines Erachtens lesenswerte Artikel verweisen, welche dieses Themengebiet kritisch beleuchten, falls Sie Lust haben diese zu lesen:
Triggerpunkte:
Paul Ingraham (2012): Trigger Point Doubts – Is there really such a thing as a muscle “knot”?
Faszien:
Greg Lehman (2012). Fascia Science: Stretching the power of manual therapy.
Paul Ingraham (2013). Does Fascia Matter?
Blackroll:
Todd Hargrove (2013). How Does Foam Rolling Work?
Chris Beardsley (2013). Does research support the use of foam rolling?
Wie bereits angesprochen steckt die Forschung zu diesen Thematiken noch in den Kinderschuhen und meines Erachtens ist es zweifelhaft, dass diese Theorien so bestehen bleiben. Ich persönlich habe absolut keine Beschwerden an meinem Bewegungsapparat, spüre keine Trigger-Punkte, bin ziemlich beweglich, habe genügend Kraft und Ausdauer für meine Bedürfnisse und alles was ich dazu benötige ist: Bewegung in maximaler Range of Motion. Meines Erachtens sind wir ’nur Tiere‘ die sich in artgerechten Bewegungsmustern bewegen müssen, dann passt es mit unserem Bewegungsapparat ziemlich gut. Der hat sich über mehrere tausend Jahre entwickelt, lange bevor es Blackrolls gab und niemand etwas von Triggerpunkten wusste. Ok, wir machen Entdeckungen, Erfindungen und Fortschritte, aber in Sachen ‚gesunder Bewegungsapparat bzw.Beweglichkeit‘ bin ich mir ziemlich sicher, dass wir da keine Fortschritte machen müssen, viel eher Rückschritte; wir sollten nämlich wieder anfangen uns zu bewegen in grosser Bewegungsamplitude und dann werden Blackrolls und Faszien ziemlich sicher wieder ein Schattendasein fristen.
Bevor Sie sich also eine Backroll kaufen, Sie sich von einem Faszien-Therapeuten behandeln lassen, oder Ihre Gliedmassen durch ‚Stretching‘ in alle möglichen Himmelsrichtungen ziehen, empfehle ich Ihnen Krafttraining (Bewegung) in Maximaler Range of Motion auszuführen (Übungsideen). Und wenn das Ihr Problem nicht beseitigt, dann, aber erst dann würde ich einen Therapeuten aufsuchen. Und falls Sie kein Geld ausgeben wollen, dann versuchen Sie es doch z.B. mit den folgenden YouTube-Faszienübungen. (Ps. mir hat besonders die Bauchkröte gefallen!):
Video 1 Video 2 Video 3 Video 4 Video 5
Naja, wem’s Spass macht 😉
Ich empfehle folgendes:
🙂